Zen und christliche Kontemplation

Vielleicht liegt es daran, dass ich aktuell am Benediktushof in Holzkirchen bin und hier, wie kaum an einem anderen Ort, eine Symbiose zwischen Zen-Meditation und christlicher Kontemplation gelungen ist.

 

Aus welchen Gründen auch immer, ist mir heute eine Geschichte eingefallen, die ich vor einigen Jahren mit einer orthodoxen evangelischen Christin hatte.

 

Bei einem Treffen kamen wir ins Gespräch und ich wollte ihr mein damaliges Verständnis des Zen näher bringen und darauf hinweisen, dass sich diese beiden spirituellen Wege in der Essenz nicht unterscheiden. Doch bereits nach 2 oder 3 Minuten unterbrach sie mich mit den Worten:

 

„Thorsten, hör bitte auf damit. Gott hat die Bibel mit seinen eigenen Händen geschrieben und sie den Menschen gegeben, damit wir uns nach seinem Wort richten. Alles, was aus dem Osten kommt, wie Yoga und Meditation, hat der Teufel auf die Welt gebracht, um in die Gehirne der Menschen einzudringen.“

 

Das ist mal eine krasse Aussage, dachte ich so bei mir. Doch ich wollte es noch einmal versuchen und bat sie, mir eine zweite Chance zu geben. Und so sagte ich zu ihr:

 

Solange wir den Einflüsterungen des Teufels in Form von Habgier, Stolz und anderen Gedanken vertrauen und uns verführen lassen, so lange werden wir schon hier auf Erden in der Hölle leiden.

 

Wir leiden an unserer Gier nach immer mehr und an unserer Hilflosigkeit bezogen auf Krankheit und Tod. Wir leiden an den Einflüsterungen des Teufels, der uns sagt, dass wir so wie wir sind, nicht in Ordnung sind und an der Angst, für unsere Sünden in die Hölle zu kommen.

 

Doch wenn wir uns voller Vertrauen Gott, Jesus Christus und dem heiligen Geist hingeben, hat der Teufel keine Chance uns zu verführen. Wenn wir „Nicht mein Wille, sondern der Deine“ wirklich leben und bereit sind alles restlos aufzugeben und uns vollständig in die Hand Gottes begeben, dann können wir jetzt und hier auf Erden das Himmelreich erfahren.

 

So sprach ich zu ihr und sie hörte mir zu. Am Ende sagte sie: „Thorsten, genau das ist mein christlicher Glaube.“ Doch ich antwortete ihr: „Ich weiß, doch ich habe dir gerade Zen-Buddhismus mit christlichen Vokabeln erklärt. Ich habe lediglich die Worte ausgetauscht.“ Da sah sie mich irritiert an.

 

Hier der selbe Text wie oben, nur mit Begriffen und Worten des Zen:

 

Solange wir den Gedanken des Ego-Verstandes in Form von Gier und Hass, also Anhaftung und Ablehnung vertrauen und glauben, dass wir der Denker sind, so lange werden wir in unserem Leben Leiden erfahren.

 

Wir leiden an unserer Gier nach immer mehr und an unserer Hilflosigkeit bezogen auf Krankheit, Alter und Tod. Wir leiden an den Gedanken des Ego-Verstandes, der uns sagt, dass wir so wie wir sind, nicht in Ordnung sind und an der Angst, durch unsere Handlungen so viel schlechtes Karma erzeugt zu haben, dass wir niemals Erleuchtung erfahren werden.

 

Doch in der Erkenntnis, dass alle Dinge leer sind, von einem aus sich selbst heraus existierenden sein und wir somit noch nie einen Gedanken gedacht oder eine Entscheidung getroffen haben, können wir uns selbst, so wie wir sind annehmen und die Identifikation mit dem Ego-Verstand aufgeben.

 

Natürlich ist da niemand, der diese Identifikation aufgeben könnte, wir erkennen lediglich die Illusion. Wenn wir uns dem Leben völlig hingeben, voller Vertrauen das Leben geschehen lassen, dann können wir im selben Augenblick erwachen.

 

Doch wie können wir uns voller Vertrauen Gott oder dem Leben hingeben? Wie kann sich Gott in uns selbst offenbaren und erkennen?

 

Es ist eine direkte und spontane Erkenntnis! Frage: Woher weiß ich, dass ich ich bin?

 

Wenn ich hier vor mir das Weinglas betrachte, weiß ich genau, dass ich nicht dieses Weinglas bin. Woher ich das weiß? Weil ich es sehen und wahrnehmen kann. Das gesehen Objekt ist nicht die Quelle, von der diese Wahrnehmung ausgeht.

 

Das Weinglas scheint sich außerhalb von meinem Körper zu befinden und es ist für alle Menschen offensichtlich, dass sie nicht die Dinge sind, die sie im außen wahrnehmen. Denn da gibt es immer das Ding, z. B. ein Baum oder eben ein Weinglas und das gibt es mich, als den Wahrnehmenden, den Sehenden dieses Dings.

 

Doch während wir in stille sitzen und Zazen oder Kontemplation praktizieren, können wir den Körper wahrnehmen, wir nehmen die Wahrnehmung über die 5 Sinne wahr, wir „sehen“ Gedanken und Gefühle kommen und gehen.

 

Nicht zuletzt nehmen wir sogar das Bewusstsein wahr, in dem all das auftaucht und wieder verschwindet. Sogar das Gefühl, dieser Körper, diese Person zu sein, kann in einem stillen Moment der Achtsamkeit und Kontemplation wahrgenommen werden.

 

Doch wenn ich all diese inneren Phänomene wahrnehme, dann sind all diese Phänomene nicht die Quelle der Wahrnehmung. Auch wenn ich diese Quelle, manche nennen es Gott, nicht wahrnehmen kann, da es nun einmal die Quelle selbst ist, die sieht und wahrnimmt, kann ich doch erkennen, dass sie ist. Das ich diese Quelle der Wahrnehmung bin, das ich DAS bin.

 

In diesem Augenblick können alle Gedanken, alle Einflüsterungen des Teufels, Gier und Hass tatsächlich losgelassen werden. Nicht durch ein tun, sondern durch ein zulassen. Wir erkennen, dass es nicht einmal eines Zulassens bedarf und erwachen zum Augenblick hier und jetzt.