Das Leiden umarmen

Jeder Mensch erfährt Leiden in seinen verschiedenen Formen. Meist handelt es sich nur um ein unbestimmtes Mangelgefühl. Egal wie gut es uns geht, ist da doch immer noch das Empfinden, irgendetwas würde fehlen. Oder wir haben ganz einfach Angst das gute Gefühl wieder zu verlieren, da wir diese Erfahrung schon so oft gemacht haben.

 

Gibt es dauerhaften Frieden?

 

Die gute Nachricht lautet „Ja“, ein unbedingter und allumfassender Frieden ist möglich. Nur hat er nicht mit der Person zu tun, für die du dich hältst. Sehen wir uns die Sache genauer an:

 

Schon Buddha sagte, dass alles bedingte Dasein leidvoll ist. Er verwendete dafür das Wort Dukkha, was sich zwar als Leiden übersetzen lässt, es aber nicht genau auf den Punkt trifft. Bleiben wir für die weiteren Ausführungen dennoch bei dem Begriff "Leiden".

 

Alles was du wahrnehmen kannst ist bedingtes Dasein und der Vergänglichkeit unterworfen. Da gibt es nichts, was ewig und aus sich selbst heraus existiert. Alles hat Ursachen, meist sogar ein vieldimensionales Ursachengeflecht aus sich wechselseitig bedingendem Dasein.

 

Je mehr wir an den Dingen und Phänomenen anhaften und diese festzuhalten versuchen, je mehr wir der Täuschung unterliegen, dass die Dinge ewig und aus sich selbst heraus existierend sind, desto mehr erfahren wir Dukkha in Form von Leiden, Unzufriedenheit, Depression etc.

 

Loslassen als Lösung des Leidens

 

Die Lösung liegt im Loslassen lernen. Doch können wir Loslassen nicht machen, sondern nur geschehen lassen. Ein Loslassen machen wollen ist ein „am Loslassen festhalten“. Es ist wie abends, wenn du das Einschlafen machen willst. Je mehr du daran arbeitest einzuschlafen, desto mehr entfernst du dich davon.

Wahres Loslassen geschieht nur durch die Erkenntnis, dass es rein gar nichts zum festhalten gibt.

 

Die Wurzel das Anhaftens besteht in der Identifikation mit dem Ego-Verstand. Buddha nannte es Verblendung. Das was du bist, was nicht wahrgenommen oder selbst erfahren werden kann, identifiziert sich mit diesem Körper-Geist-System und je stärker wir identifiziert sind, desto intensiver nehmen wir Leiden war.

 

Das Leiden umarmen

 

Wenn wir, zum Beispiel durch die regelmäßige Praxis von Zazen in der Gruppe, zum Beispiel auf einem Retreat oder in einer Gruppe vor Ort, erfahren, dass wir nicht sind, was wir glauben zu sein, löst sich die Identifikation allmählich und verliert an Kraft. Immer mehr Konzepte, Ideen und gedankliche Konstrukte, die das Körper-Geist-System gehindert haben frei und ungezwungen zu existieren, fallen ab.

 

Und ab einem bestimmten Moment können wir sogar das Leiden umarmen. Je mehr wir akzeptieren und annehmen können, desto mehr verliert das Leiden an Macht über uns. Die Konturen werden weicher und wir finden intuitiv Lösungen und handeln spontan aus dem Augenblick heraus.

 

Solange das Körper-Geist-System in einer Welt des bedingten Daseins existiert, solange wird es auch Leiden erfahren. In dieser Erkenntnis aber löst sich Leiden auf und verliert all seine Kraft. Wir können den Augenblick so annehmen wie er ist, um dann geeignete Mittel zu finden uns und den Wesen zu helfen, spontan, lebensbejahend und aktiv das eigene Leben zu gestalten.