ZEN - Erleuchtung ist vergänglich

Wenn wir an den beiden äußeren Enden bleiben, wie können wir dann das Ganze verstehen? Konzentriert man sich nicht auf das Ursprüngliche, gehen die Vorzüge der beiden äußeren Enden verloren. Wenn wir nur die Existenz anerkennen, fallen wir in diese Existenz. Wenn wir nur ku folgen, wenden wir uns gegen ku. Selbst wenn unsere Worte genau und unsere Gedanken richtig sind, entsprechen sie doch nicht der Wahrheit. Wenn wir Sprache und Denken aufgeben, können wir über alles hinausgehen. Wer Sprache und Denken nicht zurücklassen kann, wie kann der den Weg verstehen?

 

aus dem Hsin Hsin Ming von Seng-ts'an

 

Dienstag, 27. November 2012

 

Der Weg liegt unter Deinen Füßen und nicht unter denen eines anderen. Niemand kann Dir Deinen Weg mit Worten erklären, geschweige denn ihn für Dich gehen.

 

Aber wie gibt man etwas weiter ohne Worte zu benutzen? Wie erreicht man die Menschen? Wie motiviert man sie? Erleuchtung ist möglich, auch wenn man nur wenig darüber aussagen kann. Vielleicht kann man über diesen besonderen Bewusstseinszustand auch überhaupt nicht sprechen, ohne die Menschen, die es noch nicht erfahren haben, zu verwirren.

 

Und ja, es mag sein, dass es Menschen gibt, die dauerhaft in diesem Zustand verweilen, weil sie sich in irgendeine Höhle im Himalaya zurück ziehen und dort von morgens bis abends nur sitzen. Aber das kann es nicht sein, oder?

Erleuchtung ist, meiner bescheidenen Meinung nach, ein Bewusstseinszustand, eine andere Wahrnehmung ein und derselben Wirklichkeit.

 

Alles Bedingte, und dieser Zustand ist bedingt durch Zazen, ist vergänglich und gehört zur Welt der relativen Wirklichkeit. Selbst wenn wir durch diese Erfahrung einen Blick auf die letzte Wirklichkeit werfen können.

 

Das heißt die Erfahrung der Erleuchtung ist genauso Samsara, wie alle anderen Formen in der phänomenalen Welt. Aus der Sicht von Ku, aus dem Blickwinkel der wesenhaften Welt, dem allem zu Grunde liegenden Wesenskern, Leerheit, großem Geist, Tao, Gott etc. ist alles eins und es gibt keine Trennung.

 

So gibt es sowohl Vielheit als auch Einheit in ein und demselben Augenblick. Doch nur eine dieser Betrachtungsweisen für sich zu nehmen ist falsch. Es ist immer, wirklich immer beides gleichzeitig da.

 

So wie die Vorderseite nur mit der Rückseite und die Oberfläche des Meeres nur durch die Tiefe existieren kann. Im Grunde muss aber gesagt werden, dass die Erfahrung des Erwachens meist überschätzt wird.

 

Die Erfahrung an sich ist unbeschreiblich und ihr Ausdruck ist reinste Freude und Glückseligkeit. Aber es ist, zumindest meiner Erfahrung nach und dem ein oder anderen Bericht, den ich darüber lesen durfte, kein bleibender Zustand. Wie auch? Alles ist im stetigen Wandel und bleibender Veränderung.

 

Wie könnte da eine Erfahrung oder ein Zustand wie der der Erleuchtung anhaltend und dauerhaft sein? Die höchste Wahrheit ist dauerhaft und beständig, denn ihr Wesen liegt in der Unbeständigkeit. Durch die Erfahrung und die Gnade des Erwachens verändert sich aber unsere Sichtweise der Welt.

 

Wir erkennen, dass nur durch ein eigenes selbstloses Handeln zum Wohle aller Wesen, wir selbst Frieden und Freiheit erfahren können. Und in dem Begriff „alle Wesen“ sind wir selbst selbstverständlich eingeschlossen.

Die moderne Hirnforschung und das mentale Training bestätigen dies. Hier wird vom „Gesetz der Resonanz“ gesprochen oder wie der Volksmund sagt: „Wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es heraus.“

 

Die drei Gebote buddhistischen Verhaltens lauten: Hör auf Schlechtes zu tun. Tu nur Gutes. Tu Gutes für die Anderen.

 

Es geht mir persönlich nicht mehr darum die Erfahrung des Erwachens zu wiederholen oder tiefere Ebenen dieser Erfahrung kennenzulernen. Dies kommt zur richtigen Zeit und bei richtiger Praxis irgendwann ganz von allein.

Wir können es nicht beeinflussen. Aber mein Verhalten im Alltag, dass den Wesen hilft und mich gleichzeitig glücklicher macht, das kann ich in jedem Augenblick beeinflussen.

 

Ich kann darauf achten, dass mich mein denkender Verstand nicht an der Nase herum führt und mir ein X für ein U verkauft. Die Welt ist wie sie ist. Was ich daraus mache und wie ich die Welt sehe, liegt in meiner eigenen Verantwortung. Ich kann eine Situation als Problem oder als Herausforderung sehen. Beides ist richtig.

 

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