Hannya Shingyo Teil 4

Der Text geht weiter mit einer Reihe von Verneinungen: „Dort gibt es weder Wissen noch Unwissenheit, weder Illusion noch Auslöschung der Illusion, kein Altern, kein Tod, noch die Beseitigung von Altern und Tod, keine Ursache des Leidens, keine Auslöschung des Leidens, es gibt dort weder Erkenntnis noch Gewinn, noch Nicht-Gewinn.“

 

Buddha erklärte in seiner ersten Predigt, dass es vier Wahrheiten gibt, die er durch seine Erfahrung des Erwachens tief verstanden hatte. Dies sind „Die Wahrheit vom Leiden“ bezogen auf die Vergänglichkeit aller Existenzen in Form von Krankheit, Alter und Tod. Das Leiden bezieht sich aber auch auf alle Ereignisse die wir ablehnen und das getrennt Sein von dem, was wir lieben und behalten wollen. Eben auf die sich ständig verändernde Welt der Phänomene im Inneren und im Äußeren.

 

Die zweite Wahrheit bezieht sich auf die Ursache des Leides in Form von Unwissenheit. Die Unwissenheit und die damit verbundene Identifikation mit der Illusion eines „ich“ und dem daraus entstehenden Anhaften oder Ablehnen von bestimmten Ereignissen verursacht Leiden. Buddha nannte dies die drei Geistesgifte: Unwissenheit, Gier und Hass, also Anhaftung und Ablehnung.

 

In der dritten Wahrheit macht er darauf aufmerksam, dass wenn die Ursachen für das Leiden verschwinden, folglich auch das Leiden verschwindet. Mit dieser Wahrheit ließ er alle erkennen, dass es möglich ist, einen dauerhaften vom Leiden befreiten Zustand zu erreichen bzw. das schon immer vorhanden sein dieses Zustands zu verwirklichen. Er nannte dies Nirvana, was so viel wie „erlöschen“ bedeutet. Erlöschen der Illusion eines „Jemanden“, der irgendetwas erreichen oder erhalten muss, um glücklich zu sein.

 

Er erklärte in der vierten Wahrheit, dass es einen Weg gibt, der zum Erlöschen und damit zu einem bedingungslosen Verweilen in Freiheit vom Leiden, freudiger Gelassenheit und Ruhe führt.

 

Der oben genannte Textausschnitt bezieht sich auf diese vier edlen Wahrheiten und besagt, dass es in der undefinierbaren Leerheit diese vier Wahrheiten nicht gibt. Er verneint also die erste Predigt Buddhas und lehnt eine Erklärung durch Worte schlichtweg ab. Die höchste Wahrheit kann nicht mit Worten ausgedrückt oder durch den autonomen Verstand geklärt werden. Es ist die reine Erfahrung der Tatsache, dass es so etwas wie ein aus sich selbst heraus existierendes „ich“ nicht gibt.

 

Es gab nie einen „Jemanden“ der die Erfahrung der Erleuchtung gemacht hat. Aus diesem Grund rief Buddha bei seinem Erwachen aus: „Ich habe das Erwachen gemeinsam mit allen Wesen verwirklicht!“ und drehte bei seiner Predigt am Geierberg lediglich eine Blume zwischen seinen Fingern. Das war die eine unaussagbare Wahrheit des Augenblicks.

 

Aus dem Buch „Der Geschmack des Schattens einer Pflaume“

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